JVA Tegel führt 78-Stunden-Woche ein

Mitteilung des Soli-Komitee Olli R. vom 06.10.2013

Bangladesh liegt in Tegel

Es ist nicht das erste Mal, dass die JVA Tegel versucht, Inhaftierten, die ein Vollzeit-Studium an der Fernuni Hagen betreiben, zusätzliche 40 Stunden Knastarbeit aufzuzwingen. Bereits in früheren Fällen ist sie damit gescheitert. Dennoch versucht sie es erneut.

Nun soll auch der dort gefangene Antimilitarist und Gewerkschafter Oliver R. trotz eines mit 38 Wochenstunden veranschlagten Studiums nebenbei wöchentlich 40 Stunden Tüten kleben und Kartons falten. Studieren könne er ja nach der Arbeit immer noch, meint der Knastapparat. Die Gruppenleiterin/Sozialarbeiterin Frau Behrendt sagt, sie habe den Antrag von R. zwar befürwortet, kenne aber aus ihrer Praxis keinen Gefangenen, der wegen seines Vollzeitstudiums tatsächlich von der Arbeit befreit worden sei. Dem Soli-Komitee Olli R. sind jedoch mindestens zwei Fälle aus Tegel bekannt, in denen Studierende im Knast nicht zusätzlich arbeiten mussten – einer allerdings erst nach gewonnenem Rechtsstreit, dem Vernehmen nach auch kein Einzelfall.

Die Sturheit der Anstalt hätte also System. Unterdessen wird Zeit geschunden. Getreu einer beliebten Taktik der JVA, wird die Entscheidung zunächst auf die lange Bank geschoben. Denn erst wenn ein schriftlicher Bescheid vorliegt, kann man überhaupt klagen. So ist für Oliver R. mit dem 1.10. der offizielle Studienbeginn verstrichen, ohne dass er eine Antwort in der Sache erhalten hat. Und solange nichts entschieden ist, wird er eben weiter zur täglichen 8-Stunden-Schicht in der anstaltseigenen Kartonage genötigt.

Die Ironie des Schicksals will also, dass sich ausgerechnet der Aktivist der Arbeiterunion IWW (Industrial Workers of the World) im Knast mit einer ganz speziellen Form des Arbeitskampfes konfrontiert sieht. Unter Ausnutzung der besonders eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten von Gefangenen, werden hier Forderungen an ihn gestellt, die unter tarifwirtschaftlichen Bedingungen kein Arbeitgeber wagen würde, laut zu äußern. Jedenfalls nicht solange es eine gesetzlich geregelte maximale Arbeitszeit gibt. Bei einem Tagessatz von 11,25 € (nur reell gearbeitete Tage werden bezahlt) nimmt sich die Knastarbeit ohnehin mehr als unterbezahlt aus. Bricht man das auf einen Stundenlohn herunter, kommt man auf 1,40 € die Stunde. Bei 78 Stunden in der Woche wären es gar nur noch 72 Cents. Bangladesh liegt in Tegel!

Das Soli-Komitee Olli R. fordert die JVA Tegel auf, Oliver R. mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freizustellen. Des weiteren stellen wir die Rechtmäßigkeit der dort betriebenen Dumping-Löhne in Frage. Während draußen täglich mehr Menschen mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze konfrontiert sind, wirbt die JVA unverhohlen auf ihrer Webseite damit, dass „gerade da, wo lohnintensive Handarbeit gefordert wird“, die Aufträge von Firmen „preiswert umgesetzt werden“ können. Eine eingehende Untersuchung der dortigen Arbeits- bzw. Ausbeutungsverhältnisse tut Not! Wir fordern mindestens ein Ende des Zwangs zur Arbeit, angemessene Löhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie ein Streikrecht für Inhaftierte.

Wir rufen sowohl Gewerkschaften als auch Gefangeneninitiativen und Bürgerrechtsorganisationen dazu auf, diese Forderungen aktiv zu unterstützen, indem sie z. B. dieses Schreiben weiterverbreiten, die Forderungen an die zuständigen Stellen herantragen, Nachforschungen anstellen, sich mit uns in Verbindung setzen …

Soli-Komitee Olli R. solikom_olli@mail36.net

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Weitere Informationen zur Inhaftierung von Oliver R. unter: solikom-olli.site36.net