Pressemitteilung vom 25.06.2013
Der IWW-Basisgewerkschafter Oliver R., einer der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, das zu den Razzien vom 22.05. führte, wird die Hintergründe der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht einsehen können. Jedenfalls wenn es nach dem Teilanstaltsleiter der JVA Tegel, Haus 5, Herrn Detlef Stark geht. Dort sitzt Oliver R., gegen den kein Haftbefehl in der laufenden Sache vorliegt, weil er vom offenen Vollzug, wo er eine Haftstrafe aus einem umstrittenen anderen Verfahren absolvierte, kurzerhand in den geschlossenen Vollzug verlegt wurde.
50 Ordner voll mit Akten hat das Ermittlungsverfahren hervorgebracht. Vieles davon wird vollkommen unrelevant sein. Vieles davon wird R. gar nicht betreffen. Dennoch muss alles gelesen werden, um sich ein Bild davon zu machen, was ihm vorgehalten wird, und auch ein Bild davon, wie das Ganze zusammenkonstruiert wurde. Davon Kenntnis zu bekommen, ist nach rechtsstaatlichem Verständnis das Recht eines jeden Staatsbürgers. Um dieses Recht wahrnehmen zu können, benötigt Oliver R. ein Gerät, das ihm erlaubt, die digitalen Daten zu sichten, und hat daher die Genehmigung für den Gebrauch eines Laptops beantragt. Es ist in Tegel durchaus üblich, eine solche Genehmigung zu erteilen.
Am vergangenen Freitag hat R. jedoch einen Bescheid erhalten, in welchem der zuständige Teilanstaltsleiter den Antrag ablehnt. Zur Begründung schreibt Herr Stark: „Vor dem Hintergrund des vermeintlich anhaltenden aktionistischen Verhaltens sowie der nicht erkennbaren Distanzierung von delinquenzfördernden Personen, müssen hier konkrete Missbrauchsbefürchtungen erkannt werden, die die Eignung für die Erteilung einer Genehmigung eines Laptops in Abrede stellen.“
Was für einen Missbrauch Herr Stark eigentlich befürchtet, bleibt völlig unklar. Auch wird Herr Stark sich nicht nur die Frage gefallen lassen müssen, was er unter „aktionistischem Verhalten“ und unter „delinquenzfördernden Personen“ versteht: Darüberhinaus stellt sich die Frage, wie dem Beschuldigten angelastet werden kann, dass eine „Distanzierung von delinquenzfördernden Personen“ „nicht erkennbar“ sei. Hier wird zum einen deutlich, dass es dem Verfasser darum geht, den Gefangenen dafür zu sanktionieren, dass er Kontakt mit Leuten hatte, für deren Handeln er zwar nicht verantwortlich ist, aber nun verantwortlich gemacht wird. Zum anderen begründet selbst dieser Vorwurf auf einer reinen Hypothese. Denn dass eine Distanzierung für den Verfasser „nicht erkennbar“ ist, beweist keinesfalls, dass sie nicht stattgefunden habe. Dem Verfasser aber genügt die Hypothese offenbar als Vorwand.
Dass es als sanktionierbar betrachtet wird, wenn man mit Personen Umgang hat, die von staatlichen Behörden inkriminiert werden, ist ein klarer Fall von Gesinnungsjustiz. Das allein ist schon schlimm genug. Wenn die vermeintliche gemeinsame Gesinnung allerdings nur unterstellt werden kann, ist der Skandal doppelt groß. Die darin liegende Willkür wiederum wirft ein erhellendes Licht auf den Charakter des laufenden Ermittlungsverfahrens und auf die dahinter stehende Haltung der Behörden. Im Fadenkreuz stehen demnach politische Haltungen ebenso wie Kontakte und Interaktionen zwischen Personen bzw. Personenkreisen auch unterschiedlicher politischer Haltungen. Die Methode zielt darauf ab, (linke) Menschen zu isolieren und Austausch und Diskussion (linker) politischer Positionen zu unterbinden. Wer sich nicht isolieren lässt, wird mit durch Mutmaßungen gerechtfertigten Repressionen überzogen.
Gegen den selbstentlarvenden Ablehnungsbescheid wird geklagt. Darüberhinaus rufen wir alle selbständig denkenden Menschen dazu auf, nicht in die Falle der Isolierungsstrategie zu gehen. Wie heißt es noch bei Ton Steine Scherben: „Allein machen sie dich ein…“
Solidarität mit Olli!
Soli-Komitee Olli R.