Ein Nachtrag zum RHZ-Schwerpunkt
In der Nr. 4/2013 der Rote Hilfe-Zeitung (RHZ) machten sich das RHZ-Redaktionskollektiv und einzelne RH-Aktivistlnnen daran, einen Rückblick, Ist-Zustand und Ausblick auf die politische Arbeit der mitgliederstärksten Antirepressions- und Solidaritätsorganisation der BRD zu liefern. Aufgrund des rasanten Mitgliederzuwachses (ca. 6.500 eingeschriebene Mitglieder) und der enormen Strukturerweiterung (knapp 50 RH-OGs) ist es durchaus angezeigt, in Klausur zu gehen und einen Versuch zu unternehmen, einen Diskussionsprozess über die mittelfristige Ausrichtung der RH in der Mitgliedschaft und im sympathisierenden Umfeld zu wagen.
Es ist tatsächlich ein Wagnis, eine Debatte um Organisation und Organisierung eines politischen Projektes anzuschieben, denn erfahrungsgemäß folgt nach dem mehr oder weniger enthusiastisch begonnenen Auftakt nicht sonderlich viel an inhaltlichen Reaktionen. Ein Austausch, zumal einer, in dem sich aufeinander bezogen und gegenseitig gestärkt wird, ist eher eine rühmliche Ausnahme, als dass ein solcher die Regel innerhalb der (heterogenen) Linken wäre. Nichtsdestotrotz ist durch die vergangene Schwerpunktnummer der RHZ ein Anlass gegeben, weitere thematische Beiträge folgen zu lassen.
Trittfest vorwärts
Ganz richtig schreiben die Genossinnen der RHZ in ihrem einleitenden Beitrag, dass „[sich] auch die Rote Hilfe in ihrer Geschichte immer wieder gesellschaftlichen, politischen, juristischen und legislativen Veränderungen und Herausforderungen stellen und diese bewältigen [musste und muss].“ Um zu einer (vor- und umsichtigen) Neubestimmung in einzelnen Aspekten der RH-Politik zu gelangen, kann es nur förderlich sein, sich mit der Hintergrund- und Entwicklungsgeschichte der eigenen (traditionsreichen) Organisation zu beschäftigen. Die Rote-Hilfe-Bewegung ist in unseren politischen Breitengraden deshalb bedeutsam, da sie eine erstaunliche Beständigkeit vorweisen kann. Zugegeben, es handelt sich um eine Kontinuität mit zahlreichen Brüchen und Sackgassen, mit Irrungen und Wirrungen, aber ein roter/rot-schwarzer Faden, an dem weiter geknüpft werden kann, ist unverkennbar.
Frühere Bezüge herzustellen, soll nicht heißen, geradewegs in ein nostalgisches Schwelgen zu verfallen. Vielmehr zielt ein derartiges Unterfangen darauf ab, sprichwörtlich ein Fundament zu schaffen, auf dem man strukturell aufbauen kann. Es ist eine Binsenweisheit, nach der ein Geschichtsbewusstsein eine Voraussetzung für ein reflektiertes gegenwärtiges und zukünftiges Agieren ist. Es wäre grundfalsch, aus dem Geschichtsinteresse eine Historisierung der früheren Roten Hilfe Deutschlands (RHD) abzuleiten. Diese könnte das Einfallstor für eine Art Entsorgung des eigenen organisatorischen Geschichtshintergrundes sein. Und das ist genau nicht beabsichtigt.
Das Interesse muss es hingegen sein, Erfahrungswerte und Kenntnisstände, die von Genossinnen aus der Antirepressions- und Solidaritätsarbeit in den vergangenen 90 Jahren erlangt wurden, aufzunehmen und auf ihre Tauglichkeit für derzeitige Auseinandersetzungen hin abzuklopfen. Wie in anderen Teilbereichen der (radikalen) Linken auch ist die Vermittlung dessen, was seit Jahrzehnten in politischen Zusammenhängen erdacht und getan wurde, die der Repression die Solidarität entgegenstellen wollen, kompliziert. Von einer simplen Übertragung des Vergangenen ins Heute ist an dieser Stelle keineswegs die Rede. Aber es geht gewissermaßen um einen „Mitnahme-Effekt“, um das zu transportierende Wissen, dass der Prozess der (Selbst-)Emanzipation – aller Empirie nach – nur als Folge der Aufhebung von Ausbeutung und Unterdrückung in der Ära des „finanzmarktdominierten Kapitalismus“ eintreten kann.
Kräftig aufblühen
Die „Gegenüberstellung von Realität und Anspruch“, wie sie von vier BuVo-Frauen in ihrem Text „Wir sind alle Rote Hilfe! Strukturelle Veränderungen in einer wachsenden Organisation“ vorgenommen wird, fällt eher ernüchternd aus. Warum eigentlich? Ist das Anspruchsdenken chronisch überladen? Oder liegt die Realität quer zu dem, wie man meint, organisieren zu müssen? Es kommen vermutlich verschiedene Aspekte zusammen, die die recht typische Diskrepanz zwischen Ambition und Umsetzbarkeit verursachen.
Das heißt aber überhaupt nicht, Asche auf die Häupter streuen zu müssen. Im Gegenteil! Umstandslos ist anzuerkennen, dass die „Kernkompetenzen“ der RH im Infrastrukturellen liegen. D.h. in der finanziellen Ausstattung, in der Beratung und Informierung und der Verfahrensbegleitung. Es hat eine hohe Qualität, wenn eine Antirepressions- und Solidaritätsorganisation kontinuierlich (!) in der Lage ist, solche zentralen Aufgaben zu erfüllen.
Es scheint auch nicht überzogen zu sein, den gesellschaftlichen Bedeutungsgewinn der RH aufgrund ihres strukturellen Zuwachses nicht nur zu benennen, sondern auch offensiv ins Feld zu führen. Die RH ist zu einer „Top-Adresse“ geworden, sie wird angesteuert und stetig bekannter. Das ist eine Menge an Zuspruch, der andernorts in der (radikalen) Linken wenig bis gar nicht auszumachen ist.
Als ein Dilemma der RH wird aber oftmals angeführt, dass die Schutz- und Unterstützungsorganisation in erster Linie als Zweitgruppe von linken Aktivistinnen betrachtet wird, in dieser „Funktion“, d.h. als eine Art „Rückversicherung“ eines linken politischen Engagements, wird die RH zahlreich angerufen. Das ist zunächst einmal kein Makel, sondern ein „Vertrauensbonus“. Um aber weiterhin als „politischer Organismus“ der Gesamt-Linken wachsen zu können, ist eine höhere Mitwirkung vonnöten: „Es ist Zeit, dass ein noch größerer Teil der Mitgliedschaft gegen Repression aktiv wird und sich in die örtliche und überregionale Arbeit einbringt“, so die BuVo-Frauen appellierend. Diesem Weckruf wird man sich nur anschließen können.
Unbürokratisch organisieren
Steigende Mitgliederzahlen und die Strukturerweiterungen bringen unweigerlich einen koordinatorischen Mehraufwand mit sich, der sich kaum anders als durch eine „effizientere interne Verwaltung“ meistern lässt. Das klingt nicht sehr erbaulich, aber ob man will oder nicht, mit dem Einrichten einer RH-Bundesgeschäftsstelle geht die Notwendigkeit einher, einen kleinen bescheidenen Verwaltungsapparat bereitzuhalten und vor allem am Laufen zu halten. Muss man deshalb als Unterstützungsstruktur der (radikalen) Linken in einen Papierstau geraten und Mitgliedskarteikästen vor sich herschieben?
Eine reelle Gefahr ist dem Beitrag der BuVo-Frauen zufolge, dass zu viel an administrativem Aufwand mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf den BuVo bzw. die Geschäftsstelle abgewälzt wird. Diese Aufgabendelegierung führt fast unabwendbar dazu, dass die Basisorientierung der RH zu verschwimmen droht. Abhilfe kann dabei eine stärkere Aktivierung der einzelnen OGs bspw. über das (regelmäßige) Einberufen von Ortsgruppendelegiertenversammlungen schaffen. Verantwortungsabgabe und Rotationsmodelle können zwei Momente sein, um einer potentiellen Verkrustung von Strukturen entgegen wirken zu können.
Die Problembeschreibung liegt längst vor, und mit einer vermehrten Aktivierung der OG-Basis würde (hoffentlich) die gesamte RH als Netzwerk nicht nur enger geknüpft, sondern auch vitaler werden können.
Mittendrin sein
Zum einen ist es sicherlich richtig, dass die RH „[e]in Abbild der linken Szene in Deutschland“ ist, wie es ein RHZ-Redaktionsmitglied in „Kein Selbstzweck. Warum mir die Rote Hilfe e.V. so viele Wochenenden wert ist“ skizziert hat. Zum anderen stellt die positive Entwicklung der RH aber auch eine Gegenläufigkeit zum permanenten „Aufbau-Zerfall-Aufbau-Muster“ linker und linksradikaler Gruppenzusammenhänge in der BRD dar. In dieser Hinsicht ist die RH eine Ausnahmeerscheinung. Dass das so ist, bedarf einiger Erklärungsversuche. Ist es vielleicht ein Zeichen der Erosion der (radikalen) Linken, dass die RH als einer der letzten Zufluchtsorte von politisch latent bis offen Desillusionierten gewählt wird? Resultiert daraus auch, dass ein verhältnismäßig eklatantes Missverhältnis zwischen passiver Mitgliedschaft und aktiver Betätigung im Rahmen der RH vorliegt? Ist entgegen der Aussage des RHZ-Genossen die (aktive) RH-Mitgliedschaft nicht doch ein „Ersatz“ für die Betätigung in anderen sog. Teilbereichsgruppen unserer „Polit-Szene“?
Wenn ein Mitglied der Aktivengruppe der RH aus München davon spricht, dass die RH „gewissermaßen eine ‚Zweite-Reihe-Struktur‘ [ist]“, dann kann man diese Aussage metaphorisch in der Beziehung überhöhen, wonach die RH in der Regel erst im Repressionsfalle in den Vordergrund rückt und als „Auffangbecken“ für „Gestrauchelte“ funktioniert. Der repressive Angriff des Staates gegen unsere Strukturen soll, sofern er nicht komplett neutralisiert werden kann, zumindest abgefedert werden. Eine Abfederung in dem Sinne, dass die negativen Folgen eines Repressionsschlages (Inhaftierung, Arbeitsplatzverlust, Bruch sozialer Bindungen etc.) nach Möglichkeit gering ausfallen.
Eine Position in der „zweiten Reihe“, knapp hinter der „aktivistischen Vorhut“ ist eine, die sich wiederum vor dem solidarischen Rückraum befindet. Kein schlechter Standort, um mittendrin zu sein. „[…] auch wenn sie [die RH, Anm. OR] heute weder Avantgarde noch Dachverband noch Universalversicherung ist“, so der Genösse von der RHZ, „ist die Rote Hilfe e.V. doch einer von vielen Gründen, warum die Linke in Deutschland zumindest so handlungsfähig ist, wie sie ist.“ Und eine Bereitschaft und Fähigkeit von linker/linksradikaler Beweglich- und Betriebsamkeit zu begründen, ist verdammt viel …
Sich vermitteln
Eine Verständigung nach innen und eine Darstellung nach außen gelingen zumeist dann gut, wenn u.a. ein Zugriff über eine Anzahl autonomer Medien besteht. Die RH verfügt über eine (ausbaufähige) Logistik, um „meinungsbildend“ zu wirken: RHZ, Mitgliederrundbrief, Litten-Archiv, RH-Webpräsenz, Info-Tische.
Vor allem ist herauszustreichen, dass die RHZ in den vergangenen Jahren als Sprachrohr der bundesweiten RH erkennbar an Bedeutung gewonnen hat. Optische Aufmachung, thematische Vielfalt und inhaltliche Dichte sowie der Verbreitungsgrad sprechen für sich. Anderen Blättern wie Entfesselt oder das Sägeblatt von Anarchist Black Cross (ABC) und das Gefangenen Info mit seiner wechselvollen Geschichte vom Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen fehlen tendenziell die inhaltlich-politische Breite und Auflagenstärke, um nicht nur ein „Nischendasein“ zu führen. Gegen eine klare „ideologische“ Akzentuierung ist prinzipiell nichts einzuwenden, wenn es erstens dem selbst formulierten Konzept entspricht, und wenn das Veröffentlichte im eigenen „Milieu“ Resonanz findet.
Man kann den Eindruck gewinnen, dass die beiden Buchprojekte zur Aufarbeitung der Vorläufer der heutigen Roten Hilfe e.V., in denen bspw. auch die Schwarze Hilfe (SH) oder das Initiativkomitee Arbeiterhilfe Hamburg (IKAH) behandelt werden, nicht den ersehnten Nachhall in den einzelnen OGs gefunden haben. Sowohl dem 2012 erschienenen Band Die Solidarität organisieren von Hartmut Rübner, als auch dem voluminösen Doppelband Das Prinzip Solidarität (2013) eines Herausgeberinnenkreises um Markus Mohr fehlen die Rezeption. Diese Lektüren, die aus einem ehemals gemeinsamen Anstoß heraus initiiert wurden, könnten aber ein sehr hilfreicher Ausgangspunkt sein, um einen Diskussionsprozess über Organisations-/Organisierungsfragen zu lancieren. Es wäre auch kaum verständlich zu machen, wenn diese beiden publizistischen Ergebnisse, denen eine jahrelange Recherchearbeit vorausging, nicht in eine solche Debatte einbezogen würden.
Grenzen austesten
Im Zuge einer Organisations-/Organisierungsdebatte können „kleine Grenzverletzungen“ der RH-Satzung an der einen oder anderen Stelle die Folge sein, zumindest bewegt man sich sehr nah an einem Übertritt der definierten Marken, was noch geht und was nicht mehr geht. Strukturkonservatismus und -flexibilität kollidieren allerdings immer, wenn es um konzeptionelle Verschiebungen und programmatische Veränderungen geht. Ein kontroverser Aspekt war und ist, inwiefern die inkriminierten Themen oder die kriminalisierten politischen Organisationskontexte von Repressierten (offensiv) aufgegriffen werden. Es ist mitunter eine schizophrene Situation, dass solche Kontexte wegzudrücken sind, damit sie einer breiteren Solidarisierung nicht im Wege stehen. Der (Hinter-)Gedanke ist eindeutig, der „personifizierte Solidaritätsfall“ soll nicht durch einen Widerstreit über eine (vermeintliche) Zugehörigkeit zu einer „Gruppe X“ mit spezifischer konzeptioneller Ausrichtung überlagert werden.
Man kennt es aus zurückliegenden Repressionsfällen. Ein Großteil eines solidarischen Umfelds, was oft sehr inhomogen ist, findet bspw. eine Tätigkeit als Antimilitaristln, welches sich auch durchaus von einem pazifistischen Verständnis unterscheiden kann, und einem Engagement als Gewerkschaftsaktivistin grundsätzlich unterstützenswert. Auch den Angriff staatlicher Repression gilt es abzuwehren, um der (radikalen) Linken einen größtmöglichen Freiraum offen zu halten. Aber ein politisches Unterstützen klandestiner Aktionen, zumal wenn sie mit einem bestimmten Gruppensignet in Verbindung stehen, ist da schon sehr viel schwieriger herzustellen. Letztlich zieht man sich ein gutes Stück weit aus der Affäre, wenn bestimmte Motivations- und Strukturhintergründe ausgeklammert werden; Hintergründe, ohne die die „Aktivitäten besonderer Art“ nur schwerlich verstanden werden können. Aber jeder gefundene Konsens ist eben nicht über Gebühr zu strapazieren, sonst bricht er. Und innerhalb jedes Übereinkommens ergeben sich genug Betätigungsmöglichkeiten und Spielräume, um eine effektive Solidaritätsarbeit auf die Beine stellen zu können.
Es lässt sich eine Gleichung aufstellen, nach der die Akzeptanz „irregulärer“ Aktionsformen ausgeprägter ist, wenn sich die gesellschaftlichen Konfliktpotentiale zuspitzen und eine breitere „umstürzlerische“ Mobilisierung in der politischen Arena auftritt, als wenn eher ruhige Phasen durchlaufen werden, in denen der Klassenkonflikt stillgelegt scheint.
Und: Inwieweit können sich rebellische soziale Gefangene als Teil einer Rote-Hilfe-Bewegung sehen? Ist unsere „Zulassbeschränkung“, die einem „Eignungstest“ (Prädikat „politisch“) gleicht, nicht aufzuheben oder zumindest aufzuweichen? Bundesweit wird es auch kaum mehr als ein, zwei Dutzend solcher Gefangenen in den BRD-Verwahranstalten geben, die sich einklinken würden. Ein verschwindend geringer Teil der Knacki-Population, aber einer, der sich einbringen und bemerkbar machen möchte und es auch immer getan hat – mit allen Schwierigkeiten aufgrund der fehlenden Teilhabe.
Kein Versteckspiel
Das Mitglied des RHZ-Redaktionskollektivs berührt in seinem Text „Kein Selbstzweck …“ die Frage nach dem offenen oder verdeckten Agieren von RH-Strukturen, um diese gleich wieder hintenanzustellen: „Von der alten Roten Hilfe, die teils klandestin agierte und darauf vorbereitet war, auch bei einem Verbot weiterzuarbeiten – weil es dann am notwendigsten wäre -, sind wir heute weit entfernt.“ Eine Diskussion, um eine potentielle Illegalisierung der RH muss an dieser Stelle nicht groß provoziert werden – richtig. Im gegebenen Falle werden sich die Aktivistinnen hierüber (theoretisch und praktisch) austauschen. Auch ist innerhalb der Mitgliederbasis eine solche Diskussion nicht wahrnehmbar.
Allerdings ist die Selbstverständlichkeit, davon auszugehen, dass ein RH-Verbotsantrag in weiter Ferne liegt und völlig aus der Luft gegriffen ist, fahrlässig optimistisch, Gedankliche Anstrengungen sind in der (radikalen) Linken zeitweilig immer zu unternehmen, wenn es um eine nach innen gerichtete Prävention geht. Somit ließe sich auch ein möglicher Überraschungseffekt kleinhalten, falls dem (fiktiven) Durchsuchungsbeschluss der Geschäftsstellenräume ein (fiktiver) Verbotsantrag nach dem Vereinsgesetz folgen würde.
Es ist zudem leicht verständlich zu machen, dass sich eine strömungsübergreifende Massenorganisation der (radikalen) Linken, wie sie die RH in Relation zu den herkömmlichen Miniaturgruppen in unseren Spektren de facto darstellt, nur unter Bedingungen der Nicht-Illegalität entfalten kann. Sie braucht offene Anlaufstellen und freie Bewegungsmöglichkeiten. Das bedeutet nicht, dass die RH nicht mit staatlichen Kriminalisierungsversuchen konfrontiert sein wird. In der Vergangenheit war es so und in der Zukunft ist ebenfalls davon auszugehen, da alle Segmente der (radikalen) Linken ins staatliche Fadenkreuz geraten (können), wenn aus ihnen „aufrührerische Regungen“ erfolgen.
Punkte sammeln
Mehrere Aspekte, die sich aus den Ausführungen aus dem RHZ-Schwerpunktheft ziehen lassen, können als (vorläufige) Anregungen in die Diskussionsrunde geworfen werden. Gleichwohl passiert das in dem Bewusstsein, dass mit diesen acht Punkten kein „Originalitätspreis“ zu ergattern ist:
- Die RH ist in der (radikalen) Linken und ihren diversen Schattierungen verankert, dies kann man nur als Ist-Zustand festhalten. Dennoch wäre es nachlässig, keine weitere und vor allem breitete Verankerung ins Gesellschaftliche hinein anzustreben. Repression und Solidarität sind für die (radikale) Linke eine fortwährende Begleiterscheinung ihres Denkens und Handeln – eine Vielzahl aufgespannter „sozialer Rettungsschirme“ kann unsere Strukturen effektiver schützen.
- Erstrebenswert kann es für die RH sein, in Bündniskonstellationen bspw. bei größeren lokalen, regionalen, überregionalen und bundesweiten Mobilisierungen vermehrt präsent zu sein. Die RH wäre mit einer großen Selbstverständlichkeit integraler Bestandteil solcher Mobilisierungen und – falls eine Kontinuität einsetzt – ein nicht mehr wegzudenkender Faktor.
- Aufgrund ihrer „Kernkompetenzen“ sollte sich die RH weiter befähigen, das Antirepressions- und Solidaritätsfeld bspw. im Kontext von Bündnissen zu besetzen und den diesbezüglichen Part auch in der Außendarstellung zu übernehmen.
- Damit fällt die Aufgabe zusammen, hinsichtlich des Übergangs von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft politische Orientierungen zu geben und in sich schlüssige Positionen einzunehmen, um im dystopischen Zeitalter der Schönen neuen Welt (Aldous Huxley) besser gewappnet zu sein.
- Da der kulturpolitische Aspekt innerhalb der Spektren der (radikalen) Linken weiterhin zu oft ein Schattendasein führt, kann die RH mit ihrem Fundus an Tradition hier eingreifen. Veranstaltungen, in denen der Solidaritätsgedanke förmlich auf die Bühne geholt wird, weisen ferner über den schmalen Horizont bürgerlicher Vorstellungswelten.
- Die Fähigkeit, eigene Kampagnen und Initiativen anzustoßen und (wieder) intensiver zu kultivieren, ist für eine stärkere Ausstrahlungskraft der RH förderlich, Im Idealfall werden diese Anstöße vom örtlichen RH-Zusammenhang vorüberlegt und vorgelegt, um im lokalen, regionalen, überregionalen oder gar bundesweiten Maßstab der RH-Strukturen nach einem Austausch konkret praktisch werden zu können.
- Die RH sollte es auch als eine aktiver zu gestaltende Herausforderung sehen, sich internationaler aufzustellen sowie z.B. die Möglichkeiten und Grenzen länderübergreifender Vernetzungen auszuloten. Das Projekt der Kommission für den Aufbau der roten hilfe internationale (rhi), das sich an der historischen Internationalen Roten Hilfe (IRH) anlehnt, kann dabei ein Referenzpunkt sein.
- Eine Ausweitung von expliziter Gefangenensolidarität, d.h. politische und politisch interessierte soziale Gefangene in wachsendem Maße in den Fokus zu nehmen und verstärkt als eine Größe innerhalb der Antirepressionsarbeit zu begreifen, würde das RH-Verständnis (sinnvoll) erweitern. Vor allem wäre hiermit auch eine wesentlich intensivere Beachtung des Regimes der Strafvollzugsrechte und -ordnungen in den JVAs der einzelnen Bundesländer gefordert.