Deutsche Libertäre im Spanischen Bürgerkrieg – eine Rezension

Rolle und Bedeutung der Exilgruppe Deutsche Anarcho-Syndikalisten (DAS)

Nelles Dieter; Linse, Ulrich; Piotrowski, Harald; Garcia, Carlos
Deutsche AntifaschistInnen in Barcelona 1933-1939
Die Gruppe „Deutsche Anarchosyndikalisten“ (DAS)
Verlag Graswurzelrevolution, Freiburg 2013
425 S., € 24,90

Die Primär- und Sekundärliteratur zum Spanischen Bürgerkrieg (Juli 1936 bis April 1939) ist reichhaltig und breit aufgestellt. Zu schließende thematische Lücken finden sich dennoch allenthalben, zumal weiterhin Archivbestände, insbesondere in Russland, auf eine systematische Erschließung und Auswertung warten. Ein deutsch-spanischer Autorenkreis, dem Dieter Nelles, Ulrich Linse sowie das Autorenduo Carlos Garcia und Harald Piotrowski angehören, unternimmt mit einer Buchveröffentlichung den Versuch, eine der organisationsgeschichtlichen Forschungslücken zu schließen.

Mit dem im Herbst 2013 im Verlag „Graswurzelrevolution“ erschienenen Sammelband „Deutsche Antifaschistinnen in Barcelona 1933-1939. Die Gruppe ‚Deutsche Anarcho-Syndikalisten‘ (DAS)“ wird ein monografisches Werk in deutscher Sprache vorgelegt, welches 2010 zunächst auf der iberischen Halbinsel veröffentlicht wurde. Die Vorgeschichte dieses Bandes geht auf ein nicht abgeschlossenes Forschungsprojekt Ende der 1980er Jahre zurück, in dem vormals auch Hans-Jürgen Degen und Wolfgang Haug involviert waren. Für die deutsche Fassung wurden die Texte von Nelles und Linse durchgesehen und erweitert. Der Band mit über 400 Seiten enthält insgesamt zehn Beiträge, zwei Anhänge und ein Verzeichnis mit über sechzig Kurz-Biografien libertärer deutschsprachiger Spanienkämpferinnen, die eine direkte oder indirekte Beziehung zur DAS aufweisen.

Linse beschäftigt sich in seinem Beitrag im Schwerpunkt mit der Entstehung der DAS bis zum Beginn des Militärputsches und anschließenden Bürgerkriegs in Spanien. Nelles schließt zeitlich an Linses Aufsatz an und beschreibt neben der Politik der DAS in der Zeit von 1936-1939 das widersprüchliche Verhältnis zwischen dem internationalen Anarcho-Syndikalismus und der CNT-FAI bzw. der DAS. Des Weiteren liefert er einen Überblick über das Engagement deutscher Freiwilliger in den Milizen der CNT-FAI. Garcia und Piotrowski konzentrieren sich vornehmlich auf einzelne Fallstudien, in denen die Rolle und Bedeutung der DAS im Kontext der Machtkonstellationen im spanischen bzw. katalanischen Exil erläutert werden. Das Autorenduo schildert u.a. die Auseinandersetzung um die Hegemonie im öffentlichen Leben in der republikanischen Zone, die antifaschistische Politik der DAS gegen das „Nazi-Netz“ vorwiegend in Katalonien und die Entstehungshintergründe des „Schwarzrotbuchs“.

Die Ausführungen der Autoren sind einer der seltenen Erträge der geschichtswissenschaftlichen Unterdisziplin „Anarchismusforschung“ im akademischen Betrieb, in der sich mit dem heterogenen Spektrum libertärer und verwandter Tendenzen befasst wird. Die zwei profilierten Anarchismusforscher Nelles („Es lebt noch eine Flamme“. Rheinische Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus“) und Linse („Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919-1933“) konstatieren eingangs, dass es eine Anarchismusforschung an den bundesrepublikanischen Universitäten – von rühmlichen Ausnahmen abgesehen – de facto nicht (mehr) gibt.

Das Ergebnis der Buchveröffentlichung kann sich – mit Abstrichen – sehen lassen. Die Autoren charakterisieren ihr Buchprojekt wie folgt: „Es ist ein Beitrag zum deutschen Exil in Spanien und zum Engagement deutscher Freiwilliger im spanischen Bürgerkrieg, ein Beitrag zur Geschichte des internationalen Anarchosyndikalismus in der Zwischenkriegszeit und ein Beitrag zur Geschichte der spanischen Revolution.“ (9) Zum einen befördert das Autorenquartett das Wirken einer weitgehend unbekannten Exilantlnnengruppe an die Oberfläche der Geschichts- und Exilforschung zur sozialen Revolution im Kontext des Spanischen Bürgerkriegs, zum anderen dokumentieren die Autoren mit ihrer Publikation einen spezifischen Beitrag deutscher Anarcho-Syndikalistlnnen im Sozialrevolutionären und antifranquistischen Widerstand.

Von der DAS wurde in der deutschen Exilforschung bislang kaum Notiz genommen. Die Autoren nennen u.a. als einen gewichtigen Grund, dass sich die Anarcho-Syndikalistlnnen, die aus dem „Hitler-Deutschland“ entkommen sind, zuvorderst als Teil des internationalen Anarcho-Syndikalismus verstanden. Die Kontaktstränge zu den Exil-Communities deutscher NS-Gegnerinnen aller Couleur waren deshalb nur spärlich vorhanden. Die Geschichte und das Schicksal der ausländischen Freiwilligen, die sich der CNT-FAI oder auch dem revolutionär-marxistischen POUM anschlössen, sind im Gegensatz zu den Aktivistinnen in den Reihen der Internationalen Brigaden fast vollständig in Vergessenheit geraten. „Diese Freiwilligen gehörten zu den doppelten Verlierern des spanischen Bürgerkriegs“, so Nelles betonend, denn „[s]ie verloren nicht nur den Krieg, sondern waren auch im Kampf gegen die antirevolutionären Kräfte im republikanischen Lager unterlegen.“ (80)

Nelles Dieter; Linse, Ulrich; Piotrowski, Harald; Garcia, Carlos
Deutsche AntifaschistInnen in Barcelona 1933-1939
Die Gruppe „Deutsche Anarchosyndikalisten“ (DAS)
Verlag Graswurzelrevolution, Freiburg 2013
425 S., € 24,90

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