aus: junge welt
Griechenlands »Sicherheitsbehörden« werden mit immer größeren Befugnissen ausgestattet
Von Heike Schrader, Athen
Anläßlich der gestern und heute in Athen stattfindenden informellen Treffen der Finanzminister der Eurostaaten im Europäischen Rat (Eurogroup) und in der EU (ECOFIN) hat die griechische Polizei jegliche Demonstrationen in der Athener Innenstadt verboten. In einem Land, in dem Kundgebungen in der Regel nicht einmal angemeldet werden müssen, ist dies ein beachtlicher Eingriff in das in der Verfassung verankerte Versammlungsrecht. Die Organisationen, die zu Protesten gegen die Gipfeltreffen aufgerufen haben, wollen das nicht hinnehmen. Sowohl die beiden griechischen Gewerkschaftsdachverbände GSEE und ADEDY, als auch die kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME, die Linkspartei SYRIZA und verschiedene linke Parteien des außerparlamentarischen Spektrums forderten dazu auf, am Dienstag abend trotz Verbot auf die Straße zu gehen. Als »Beispiel extremer Willkür aber auch der Panik der Regierung« bezeichnete die größte Oppositionspartei SYRIZA das von der Polizeiführung ausgesprochene Versammlungsverbot.
Dieses Außerkraftsetzen demokratischer Rechte ist nur ein Teil einer Reihe von Maßnahmen, mit denen die Regierung in Griechenland den Widerstand gegen die nunmehr seit vier Jahren umgesetzte Kürzungspolitik brechen will. Erst vor kurzem wurde der Öffentlichkeit ein Gesetzesentwurf für die Einrichtung diverser »Hochsicherheitsgefängnisse« ausschließlich für der Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen Verdächtigter oder deshalb Verurteilter präsentiert. Mit »Sicherheit« hat dieser Entwurf jedoch wenig zu tun, wie der bekannte Athener Strafrechtsanwalt Dimitris Katsaris am Montag in einer Pressekonferenz zum Thema klarstellte. Vielmehr würden den Gefangenen elementare Rechte genommen. Den Betroffenen würde kein Hafturlaub gewährt, Besuchszeiten, telefonische und schriftliche Kommunikation wären eingeschränkt. Auch die für andere Gefangene geltende Möglichkeit, durch Arbeit im Gefängnis ihre Haftzeit zu verkürzen – ein Arbeitstag wird als zwei Hafttage gewertet – soll den »Terroristen« verwehrt werden. Das Gesetz richtet sich ausschließlich gegen den »inneren Feind«, also all diejenigen, die sich auch mit militanten Mitteln gegen die zunehmende Repression und Verelendungspolitik des griechischen Staates zur Wehr setzten.
Eine im vergangenen Monat vorgelegte, im ersten Anlauf allerdings durchgefallene Gesetzesvorlage sollte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. In das neue Einwanderungsgesetz war ein Passus eingearbeitet, nach dem jeder Migrant, der Polizeibeamte »fälschlich« des Rassismus beschuldigt, ausgewiesen wird. Als falsche Beschuldigung sollte dabei jede Anzeige gelten, die vor Gericht keinen Erfolg hatte. Angesichts der bereits bisher meist straffrei gebliebenen zahlreichen Fälle dokumentierter polizeilicher Willkür, Folter und anderer Menschenrechtsverletzungen ist das ein klares Signal an die »Ordnungshüter«, daß ihnen in Zukunft wahrscheinlich sogar die Anzeigen erspart bleiben. Der Passus, mit dem Migranten der Falschaussage verdächtigt, stigmatisiert und davon abgehalten werden, sich gegen rassistische Angriff Uniformierter zu wehren, mußte aufgrund von Protesten selbst in den Reihen der Regierungsparteien Ende März vorerst zurück gezogen werden. Innenminister Giannis Michelakis hat jedoch bereits angekündigt, die Regelung in Kürze erneut ins Parlament einzubringen.
Wie wichtig dagegen ein Durchgreifen gegen polizeiliche Willkür wäre zeigt der Fall des vor wenigen Tagen in seiner Zelle tot aufgefundenen Gefangenen Illi Kareli. Der wegen Mordversuch zu lebenslanger Haft verurteilte Albaner hatte am 25. März einen Wärter erstochen, nachdem ihm ein Hafturlaub verweigert worden war. Zwei Tage später wurde Kareli in seiner Zelle tot aufgefunden. Die Gerichtsmediziner stellten durch Schläge hervorgerufene schwere Verletzungen fest, die vermutlich zum Tod des Gefangenen geführt hätten. Laut ihrer Aussage war Kareli dabei sowohl unmittelbar nach der Ermordung des Wächters, als auch zwei Tage später zusammengeschlagen worden.